Foto: Rike – pixelio.de
Laternen entzünden in den Herzen am Wegrand
Gerade komme ich aus dem Seniorenheim. Ein Gespräch mit einer Bewohnerin klingt noch in mir nach: über ein Gedicht von Hilde Domin; über die Flüchtigkeit und die Unvergänglichkeit unseres menschlichen Lebens. Das schönste Vermächtnis, das wir einander hinterlassen können: Laternen entzünden in den Herzen am Wegesrand.
Wie wenig nütze ich bin,
ich hebe den Finger und hinterlasse
nicht den kleinsten Strich
in der Luft.
Die Zeit verwischt mein Gesicht, sie hat schon begonnen.
Hinter meinen Schritten im Staub
wäscht der Regen die Straße blank
wie eine Hausfrau.
Ich war hier.
Ich gehe vorüber ohne Spur.
Die Ulmen am Weg winken mir zu wie ich komme,
grün blau goldener Gruß,
und vergessen mich,
eh ich vorbei bin.
Ich gehe vorüber –
aber ich lasse vielleicht
den kleinen Ton meiner Stimme,
mein Lachen und meine Tränen
und auch den Gruß der Bäume am Abend
auf einem Stückchen Papier.
Und im Vorbeigehn,
ganz absichtslos,
zünde ich die ein oder andere Laterne an
in den Herzen am Wegrand.
(Hilde Domin, In: Nur eine Rose als Stütze.)
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