Texte und Gebete
Gottes Wille ist unverfügbar
Auf dem Weg der Spurensuche können wir nur versuchen, die Bedeutung und den Sinn von Ereignissen zu erschließen. Es ist oft schwer, Gottes Wille in den Erfahrungen und Führungen unseres Lebens zu entdecken oder wenigstens zu ahnen. Besonders bei schmerzlichen Erfahrungen suchen wir oft vergeblich nach dem tieferen Sinn. Dann spüren wir, wie wahr jene Worte im Buch des Propheten Jesaja sind:
„Meine Gedanken sind nicht eure Gedanken,
und eure Wege sind nicht meine Wege – Spruch des Herrn.
So hoch der Himmel über der Erde ist,
so hoch erhaben sind meine Wege über eure Wege
und meine Gedanken über eure Gedanken.“ (Jes 55,8-9)
Das Ringen um den richtigen Weg
Oft ist ein inneres Ringen um den richtigen Weg notwendig. Dieses Ringen lässt sich vergleichen mit jenem Kampf, den der Patriarch Jakob in einer Nacht durchzustehen hatte (Gen 32,25-33):
Ein Mann rang bis zum Morgen mit Jakob. Es war ein erbitterter Kampf, bei dem Jakobs Hüftgelenk ausgerenkt wurde, so dass er für immer hinken musste. Als der Mann sich losmachen wollte, sagte Jakob zu ihm: „Ich lasse dich nicht los, wenn du mich nicht segnest.“ Der Mann fragte nach seinem Namen. Nachdem Jakob seinen Namen genannt hatte, sprach der Mann: „Nicht mehr Jakob wird man dich nennen, sondern Israel (Gottesstreiter); denn mit Gott und Menschen hast du gestritten und hast gewonnen.“
Die jüdisch-christliche Tradition verstand diesen Kampf als einen Kampf Jakobs mit Gott. Das beharrliche Durchhalten trotz der Verletzung an der Hüfte und die Bitte um den Segen wurden gedeutet als Ringen mit Gott im Gebet, trotz Unverständnis, Enttäuschung und Erfolglosigkeit, trotz der Erfahrung, dass Gott eine noch so dringende Bitte nicht erhört.
So ist auch die Spurensuche als ein Ringen zu verstehen, als ein dauernder Versuch, die Erfahrungen unseres Lebens als Anrufe Gottes aufzufassen. In einem tiefen Vertrauen dürfen wir davon ausgehen, dass Gott unser Leben fest und liebevoll in der Hand hält. Doch haben wir selbst nicht die unmittelbare Einsicht, wohin uns Gott führen will. Es ist und bleibt ein dauerndes Suchen und Fragen.
„profan“ und „sakral“
Weil die Menschen sich so schwer tun, in den alltäglichen Ereignissen Gottes Nähe zu spüren, sehen sie meist eine tiefe Kluft zwischen einem „profanen“, weltlichen Leben und Erfahrungen in „sakralen“, heiligen Räumen, z.B. in Kirchen. Sie ordnen Gotteserfahrungen spontan nur diesen heiligen Stätten und Räumen zu.
Die Suche nach Gottes Spuren mitten in der Welt schlägt eine Brücke zwischen dem „Profanen“ und dem „Sakralen“: Gott, dem wir in Gottesdienst und Liturgie begegnen, führt uns auch außerhalb der Kirchenräume und ist uns nahe in unserem Leben und Arbeiten, mitten in der Welt.
Fragen:
- In welchen Erfahrungen spüre ich besonders, dass Gottes Wille für mein Leben nicht so einfach zu finden ist?
- Wann habe ich zuletzt besonders intensiv Gott im Gebet um Hilfe gebeten? Wie waren dabei meine Erfahrungen?
- Wo habe ich die Erfahrung gemacht, dass das, was im Gottesdienst gesagt und gefeiert wird, mir im Alltag weiterhilft?