Eine Erfahrung: In Bonn auf dem Weihnachtsmarkt, nachmittags zwischen fünf und sechs. Doch brauchte ich da nicht eigentlich hinzugehen. Der Markt hatte mich einfach in seine Dynamik aufgenommen. Er war buchstäblich überall, war einfach da. Die verschiedenen Weihnachtsmarktinseln, die es über die Innenstadt verstreut gab, waren so eng nebeneinander, dass sie fast ineinander über gingen.
Ein Gedränge von Menschen. Jeder mit seiner eigenen Geschichte. Und doch hatten diese Geschichten in diesem Moment einen Sammelpunkt: Eben den Weihnachtsmarkt. Ich hatte den Eindruck, dass ganz Bonn da versammelt war, so viele waren es. Dass der Weihnachts-markt ein Treffpunkt ist, den man nicht verpassen sollte. Überall standen kleine Grüppchen, Pärchen, Kinder, alte und junge Menschen vor den entsprechenden Ständen und tranken ihren Glühwein oder waren einfach im Gespräch und in Freude darüber, sich wieder, “zufällig” oder geplant zu treffen.
Und die Verkaufsbuden breiteten den ganzen Reichtum adventlich-weihnachtlicher Farben, Düfte, Motive, Erinnerungen, Heimeligkeiten aus, den diese Zeit – so scheint es – so mit sich bringt. Es sind einfach Buden, die den adventlich-weihnachtlichen Stimmungsgehalt entsprechend zur Darstellung bringen. Stände, wie wir sie auch auf Katholiken- und Kirchentagen antreffen. Jetzt Mal anders, dem Anlass und dem Thema entsprechend.
Was sagt uns Gott damit? Das ist ja die Frage unserer Spurensuche. Doch hier geht es zunächst um die Frage: Was sagen uns die Menschen? Kennt die Kirche den Menschen? Kennen sie unsere Theologen, unsere etablierte Pastoral bzw. Pastoralbürokratie? Ich höre tatsächlich bei solchen Dingen immer nur oder doch allzu schnell das Wort vom Kommerz. Es wäre an der Zeit, hier spirituelle Deutung, religiös-christliche Deutung etwas stärker oder überhaupt zu entwickeln. Was geschieht in den Herzen der Menschen auf dem Weihnachtsmarkt? Also Motivforschung. “In den Herzen wird´s warm” heißt es in einem unserer – trotz aller Unkenrufe – allem Anschein nach unsterblichen Weihnachtslieder. Und viele neue gibt es ebenfalls.
Zum Beispiel das Licht-von-Bethlehem-Lied. So begann der Advent – fernsehmäßig gesehen – mit dem Einzug des Lichtes von Bethlehem bei der großen Adventseröffnungs-Gala der ARD. Die über 1000 in der großen Halle Versammelten haben es stehend begrüßt. Und sie sangen das genannte Lied. Was geht dabei in diesen vor?
Weiß das “die” Kirche? Wissen das ihre Theologen? Und wenn sie es wissen: Wie gehen sie damit um? Es handelt sich ja um sehr persönliche und auch verletzliche Gefühle von Menschen. Was Advent und Weihnachten ist, kann man, könnte man, gerade in deren Herzen lesen. Wer tut es? Wer bringt es ins Wort? Alles Menschen, die auch dieses Jahr wieder am Überlegen sind, wem und was sie jemandem schenken wollen, müssen, dürfen. Warum eigentlich? Hat eine solche Überlegung halt nicht doch etwas mit dem “richtigen” Weihnachten zu tun?
Die Einladung: Jetzt einfach den Menschenspuren nachgehen. Der Menschen auf den Weihnachtsmärkten, die in bald jedem noch so abgelegenen Ort, über mehrere Wochen hindurch, stattfinden und mehr und mehr ein wichtiges geistlich-spirituelles Exportgut Deutschlands werden. Den Spuren der Menschen, die in einigen Tagen wieder in ungewöhnlich großer Zahl an einem unserer Weihnachtsgottesdienste teilnehmen werden und da dann doch nicht so recht willkommen sind, weil sie ja “sonst nicht kommen”. Wirklich überhaupt nicht? Und weil sie Weihnachten nicht genügend “theologisch verantwortet” feiern. Oder eben: Weil wir sie nicht kennen.
Dass es beim Fest der Menschwerdung unseres Gottes menschlich, sehr menschlich und herzlich zugeht, ist dann eigentlich entsprechend. Es liegt an uns (bewussten) Christen, da Deutehilfe zu geben. Nicht so sehr vor allem theologische, sondern Deutehilfe der Art, wie Advent und Weihnachten gefeiert wird und von der Überlegung ausgehend, warum Advent und Weihnachten, jedes Jahr neu, kaum erwartet werden können. So scheint es jedenfalls.
Populär geworden ist in den letzten Jahren das Lied, Maria durch ein Dornwald ging. Dezember-Advent ist eigentlich ein Marienmonat, gerade auch in Deutschland. Ihr Bild ist ja geradezu allgegenwärtig. Wir begegnen in dem Lied der allerliebsten Maria, die durch die dornige Welt zu Elisabeth sich aufgemacht hat. Und da, wo sie vorübergeht, fangen die dornigen Sträucher an zu blühen. Ein bisschen Märchen und Verzauberung darf sein, sollte sein. Letztlich ist ja dann doch die mehr kindliche Art, diese Wochen zu spüren, die richtige. Lassen wir uns darauf ein, auch als Theologen und Vertreter der manchmal theologisch sehr ausgedünnten “wahren Religion”, auf diese “volkstümliche”, ja “menschentümliche” Art, mit Religion umzugehen um das Menschsein Gottes wirklich zu ehren.